In der Ratssitzung am Donnerstag (16.12.2021) wurde die Haushaltssatzung mit dem Haushaltsplan 2022 sowie das Haushaltssicherungskonzept für das Haushaltsjahr 2022 verabschiedet.
Zuvor hielten alle Fraktionen ihre Haushaltsreden. Hier die Rede des UWG-Fraktionsvorsitzenden Dr. Hubert Seier, der in dieser Funktion nach Maria Lipke in große Fußstapfen tritt, ohne dabei den Anspruch zu erheben diese auszufüllen.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Thomas Orlowski,
sehr geehrte Frau Kämmerin Sylvia Engemann,
liebe Zuhörer:innen und Gäste, liebe Kolleg:innen,
dies ist die erste Haushaltsverabschiedung des 2020 neu gewählten Stadtrates und somit auch der erste Haushalt für unseren Bürgermeister. Der diesjährige wurde ja noch als Doppelhaushalt vom alten Rat verabschiedet. Haushaltsreden stehen immer unter dem Aspekt der großen Auseinandersetzung mit den politischen Mitbewerber:innen sowie der Verwaltung, sozusagen die Aufarbeitung der politischen Arbeit des vergangenen Jahres. Da sich aber seit der letzten Kommunalwahl fast alles um die Beherrschung der Corona–Pandemie gedreht hat, fand echte politische Arbeit nur zu den notwendigsten Themen statt.Es gab natürlich aus Sicht der UWG–Fraktion auch „strittige“ Themen im letzten Jahr – z.B.: …wenig ambitionierte Bebauungspläne, falsch verstandene Investorenmodelle, viel zu wenig Klimaschutzmaßnahmen, keine Bio–Methan Tankstelle, keine zukunftsweisende Schulpolitik, unverständliche und nicht nachvollziehbare Satzungen etc. etc. ….
Diese Liste ist sicher nicht vollständig und dazu möchte ich hier auch gar nichts weiter sagen.Auf die total verkorkste „Stellenbesetzung“ GF– Stadtwerke, werde ich hier auch nicht eingehen, darüber werden wir ja heute noch intensiv beraten. Nur soviel: Die UWG – Fraktion hat von Anfang an das Besetzungsverfahren bemängelt – bereits vor Bekanntwerden des Nepotismus – und wollte u.a. eine Beteiligung der städtischen Vertreter des AR in der Findungskommission und eine Einstellung der neuen GF direkt bei den Stadtwerken erwirken. Schau ́n wir mal, wie`s weitergeht?
Liebe Kolleg:innen,
ich werde heute nur 3 konkrete Punkte herausstellen und dabei natürlich auch immer einen Blick auf die „große Politik“ werfen.
Zunächst das alles bestimmende Thema Covid 19 mit allen Facetten, die eine Krise zu bieten hat. Verunsicherung der Bevölkerung, ständige Änderungen der Rahmenbedingungen, 2G – 3G – 2G+, Inzidenzzahlen, Hospitalisierungsrate, Impfpflicht, Impfzwang etc. etc.... Die Aufzählungen könnten beliebig verlängert werden. Diese Kakophonie wurde dann noch begleitet durch das diletantische und oft nicht nachvollziehbare Vorgehen der Bundesregierung incl. der 16 Ministerpräsident:innen.
Was jetzt durch den Übergang auf die neue Ampelkoalition geschieht, wird man sehen. Diese hat General Breuer als Leiter des Krisenstabes berufen. Ob das eine sinnige Lösung darstellt, bleibt zweifelhaft. Ich glaube nicht, dass das generalstabsmäßige Abarbeiten logistischer Probleme das Wichtigste darstellt. Ich denke, es ist eher wichtig, strukturiert analytisch mit nachvollziehbaren Schutzmaßnahmen zu versuchen, die Krise zu bewältigen und dann der Bevölkerung diese Maßnahmen auch umfassend zu erläutern.Die Impfskeptiker: innen und Coronaschwurbler:innen zu überzeugen, wird schwierig genug, um nicht zu sagen, fast unmöglich. Es kann in naher Zukunft doch nur um eines gehen: Impfen, Impfen, Impfen...
Dazu ist besonders wichtig, dass nicht überall anders gehandelt wird! (..Stichwort boostern: erst 6, dann doch 5 Monate, seit vorgestern 4 Wochen, seit gestern bessser 4 Monate, dann doch wieder 5 Monate, … Sehr geehrte Gesundheitspoliter: innen so läuft das nicht! Das jedenfalls schafft kein Vertrauen … )Liebe Zuhörer:innen, ich komme zum zweiten Punkt:
Unsere beiden Hauptanträge in der aktuellen Wahlperiode. Beim Ersten ging es darum, den HFA zu entlasten und einen eigenen Ausschuss für Feuerwehr, Rettungsdienst, Zivil– und Katastrophenschutz, öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie das Thema Digitalisierung zu installieren, um diese wichtigen Inhalte adäquat zu beraten. Dieser Antrag fand aber leider keine Mehrheit. Interessanterweise u.a. mit der Begründung, der HFA könne diese Themen ohne Probleme mitbehandeln. (..Dazu muss man wissen: der HFA ist ein Pflichtausschuss, der in Selm zusätzlich bereits mit weiteren Inhalten wie Personalentwicklung, Gleichstellung, und Asylpolitik angereichert ist..).Die zweite Begründung war, dass es in der Vergangenheit in dem besagten Ausschuss kaum Themen gab. Wohlgemerkt in Zeiten einer Weltpandemie keine Themen zum Zivil– und Gesundheitsschutz, bei Klimakatastrophen wie im Sommer im Ahrtal keine Temen zum Katastrophenschutz, beim Bau einer neuen Rettungswache und Aufstellung des Rettungsbedarfsplanes und auch beim allgegenwärtig zu beobachtenden Impfchaos keine Themen dazu zu haben, können wir überhaupt nicht begreifen! Darüberhinaus haben wir ja auch bezüglich Feuerwehr in der jüngsten Vergangenheit gemerkt, wie wichtig es ist, hier dringend einen eigenen FA zu installieren. Nicht einmal der Brandschutzbedarfplan (das zukünftige „Handlungspapier“ für die Feuerwehr..) wurde von der Feuerwehr selbst vorgestellt, sondern von der Verwaltung.
Dass die Themen öffentliche Ordnung und Sicherheit in Selm ständig präsent sind (Vandalismus, Einbrüche, Lärmbelästigungen etc.) brauche ich hier sicher nicht weiter auszuführen.Der zweite Antrag wurde von der UWG als Prüfauftrag zum Thema Gesamtschule in Selm gestellt (Kurzer Einschub: seit Anfang der 90iger Jahre ist dieses Thema von der UWG besetzt – und uns diesbezüglich Walhkampfgetöse vorzuwerfen, weil wir den BM auf sein eigenes Wahlkampfthema ansprachen und ihn gerne unterstützen wollten, ist schon mehr als merkwürdig. Uns ist selbstverständlich auch klar, dass die Eltern in diesen verrückten Zeiten andere „Sorgen“ im Schulbereich haben, als sich mit neuen Schulformen zu beschäftigen.
Aber darum geht es auch gar nicht, sondern darum, sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen, ob unsere gut arbeitende Sekundarschule nicht besser zu einer Gesamtschule weiterentwickelt werden kann. Dabei wird uns regelmässig vorgeworfen, unsere Sekundarschule schlecht zu reden, was natürlich absoluter Unsinn ist! Ich selber als damaliger Schulausschussvorsitzender und auch die Mehrheit der UWG hat pro aktiv und mit viel Engagement, die Errichtung unserer Sekundarschule vorangetrieben. Das war nicht immer einfach – besonders die Eltern der Realschüler:innen waren explizit zu überzeugen. Darüberhinaus haben wir als UWG bereits in dieser Gründungsphase immer wieder darauf hingewiesen, dass die Errichtung der Sekundarschule der erste Schritt hin zu einer Gesamtschule sein muss...)
Unsere Kritik am jetzigen Verfahren: ..Diesen Prüfauftrag ins Jahr 2023 zu schieben, wo einerseits jährlich die Zahlen der abwandernden Schüler:innen zu Gesamtschulen in der Nachbarschaft deutlich steigen (dieses Jahr 518 Auspendler:innen) und die Anmeldungen an der Sekundarschule deutlich sinken (von Anfangs 125 auf jetzt 72 Schüler:innen) und zusätzlich kurzfristig beträchtliche Investitionen in den Standort getätigt werden sollen, ist in unseren Augen absolut unverantwortlich und in keiner Weise nachvollziehbar!.
Liebe Kolleg:innen, ihr könnt sicher sein: Wir bleiben da am Ball!Und nun zum Dritten Punkt, das nach unserer Auffassung – trotz Pandemie – zentrale Thema der Zukunft Klimaschutzpolitik und Klimaanpassungsmaßnahmen. Nach der Hochwasserkatastrophe im Sommer wurde uns wieder einmal vor Augen geführt wie gnadenlos die Natur zurückschlägt, wenn wir uns nicht schleunigst auf den Weg machen konkrete, praktikable und vor allem schnell wirkende Maßnahmen umzusetzen. Hochwasserschutzmassnahmen sind ganz sicher ein Teil davon.
Die UWG – Fraktion zählt zu den Ungeduldigen in unserem Land und wir stehen fest an der Seite dererer, die ohne wenn und aber mindestens das 1,5 Grad – Klimaziel von Paris zeitnah angehen wollen. Vor allem die jüngere Generation fordert konkrete Maßnahmen anstatt Konzepte, die vieles auf die „Lange Bank“ schieben. Dies bedeutet natürlich nicht, dass wir gegen Konzepte sind, sondern wir fordern ganz vehement, dass geeignete Maßnahmen schneller umgesetzt werden müssen.
(Zur Erläuterung: Unser Klimaschutzkonzept brauchte mehr als 4 Jahre von der Idee bis zu Verabschiedung, die jetzt auch schon wieder über 2 Jahre her ist.)Beim Hochwasser – Drama im Sommer im Ahrtal wurde der Satz des damaligen MP Armin Laschet geprägt ….. „ weil jetzt so ein Tag ist, ändert man doch nicht die Politik“ .… Das hat mich sehr entsetzt.
Die Antwort kann doch nur lauten: Natürlich ändert man die Politik, wenn nicht durch so eine Katastrophe, wann denn dann? Klimapolitik ist und bleibt ganz oben auf unserer AGENDA!Ein weiteres Beispiel hierzu: die PV – Anlage auf der neuen Zweifachturnhalle. Seit 2017 setzt die UWG sich sehr vehement für diese Errichtung ein und wurde immer wieder vertröstet – oder auch (Entschuldigen Sie diesen Ausdruck: „verkackeiert“), wenn es um die Mittelbereitstellung für die PV–Anlage ging…. Zuerst die Stadt, dann die SES, dann die Stadtwerke, dann wieder die Stadt, dann wurden mehrmals Gutachten angefertigt, die alle die Sinnhaftigkeit bestätigten, dann sollten Fördermittel beantragt werden etc. etc..
Fakt ist, seit 2020 ist das Dach bautechnisch vorhanden und bereits zwei Sommer sind vergangen, in denen man jeweils 100.000 KWh EEG – Strom hätte produzieren und somit weit über 100 Tonnen CO2 einsparen können.
Liebe Kolleg:innen, nun komme ich zum Haushalt 2022:
Ich werde aber nicht einzelne Positionen herausstellen, die ja alle durch ihr Selbststudium der 524 Seiten HH–Plan und über die Veranstaltungen mit Frau Engemann und Herrn Jungeilges bestens kennen. Nur soviel, ca. 81 Mio Erträge stehen ca. 81 Mio Aufwendungen gegenüber, was ja zu der bekannten schwarzen Null führt (+ 52.000 Euro).
(Kurzer Einschub: Vorgestern im KT haben wir den Antrag gestellt, die zusätzlichen Ausgaben von 1,19 Millionen Euro durch die ganzen Anträge nicht durch die Erhöhung der KU zu decken, sondern durch eine weitere Entnahme der Ausgleichsrücklage. Dieses Unterfangen war aber leider nicht mehrheitsfähig, obwohl fast alle Selmer Vertreter im KT fraktionsübergreifend unseren Antrag unterstützt haben. Die neue Kreisumlage (34,64 statt 34,46 %) bedeutet jetzt nicht mehr eine schwarze sondern eine rote Null.)
Zusätzlich wird die Gesamtverschuldung der Stadt Selm im Jahre 2022 die 100 Mio Euro Grenze knacken. Dabei stehen 66,7 Mio Euro „gute Investitionskredite“ und 33,4 Mio Euro „schlechte“ Kassenkredite auf dem Schuldendeckel. Die mittelfristige Perspektive stellt sich ebenfalls als kaum vorhersehbar dar, wird aber im Haushaltsplan bis zum Jahre 2031 unter 80 Mio Euro Gesamtschulden erwartet. Danach wird auch die Überschuldung (negatives Eigenkapital) ab dem Jahr 2025 überstanden sein und wieder mit einem positiven Eigenkapital gerechnet.
– Mal schauen was die REALITÄT zeigen wird –An dieser Stelle sei auch kurz erwähnt, dass der sogenannte „Corona – Deckel“ mittlerweile auch mehr als 2,6 Mio Euro (für 2022 1 Mio) aufweist. Wir glauben aber, dass es gut vorstellbar ist, wenn Olav Scholz die Bazooka noch einmal heraus holt, dass diese Corona–Schulden als erstes übernommen werden.
Die gesamte Thematik der Altschulden (mit dem Wunsch der Kommunen nach einem Schuldenschnitt) wird dagegen bestimmt noch lange dauern. Im übrigen wurden hierzu sowohl im Wahlkampf als auch im Koalitionsvertrag – mit dem die Ampel ja „mehr Fortschritt wagen“ möchte – deutliche Hilfen bezüglich der verschuldeten Kommen versprochen…. Wer ́s glaubt wird selig“…. Aber wir müssen daran glauben und vor allem politisch dafür kämpfen, denn mit eigener Kraft ist diese immense Verschuldung nicht zu stemmen!Das ist eine Forderung, die wir ja mantraartig in regelmäßigen Abständen an die jeweils regierenden Parteien und auch in unseren letzten Wahlkämpfen immer wieder betont haben und damit selbstverständlich auch heute hier in der HH – Rede gerne wiederholen! (…Stichwort: Konnexitätsprinzip…).
Da ja im Koalitionsvertrag mal wieder von allen beteuert wurde, die Kommunen finanziell besser zu stellen, könnte ja der Finanzminister Lindner – ich schau hier mal direkt die FDP–Vertreter an, die ja jetzt im Land und im Bund regieren…) mit den „gefundenen“ 60 Milliarden nicht einen Haushaltstrick anwenden, um somit seine Wahlversprechen einzuhalten, sondern endlich beginnen mit dem Altschuldenschnitt!…Das wäre doch mal eine absolut sinnvolle Mittelverwendung!
Liebe Kolleg: innen und Zuhörer:innen, ich komme zum Schluss.
DIE UWG – Selm trägt den Haushalt 2022 mit allen Anlagen mit und gibt konkret zum Haushaltsplan 2022 nur noch eine Anmerkung. Zu häufig fällt dort – und auch in der HH–Rede von Frau Engemann – das Wort derzeit … im Zusammenhang mit Steuer– und Abgabenerhöhungen, mit der Begründung alle Aufwendungen steigen in den nächsten Jahren deutlich und wie sich die Erträge entwickeln, liegt zum Großteil nicht in unserer Hand und ist zudem ein „in die Glaskugel“ schauen.
Bei Steuererhöhungen und auch bei Erhöhungen von Elternbeiträgen in Selm wird aber die UWG auf jeden Fall nicht mitmachen. Falls in den nächsten Jahren die Erträge nicht ausreichen, müssen die verantwortlichen Parteien auf Landes– und Bundesebene Hilfe leisten und eben nicht unsere Bürger:innen vor ORT.
Diese sind in keiner Weise für das finanzielle Dilemma in den Kommunalkassen verantwortlich!
Zu guter letzt bedanken wir uns bei Sylvia Engemann und Markus Jungeilges mit ihren Mitarbeiter: innen für die Aufstellung des Haushaltsplanes und die stets bereitwillig gegebenen Erläuterungen. Außerdem gilt unser Dank auch den anderen Miarbeiter:innen der Stadtverwaltung – Stellvertretend sei hier Georg Hillmeister genannt – für
ihre stets umfassende und freundliche Unterstützung in allen Fragen rund um das Stadtratsgeschehen.Uns allen wünsche ich beste Gesundheit und viel Zuversicht für das Kommende, euch allen mit euren Freund: innen und Familien eine besinnliche Adventszeit, ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Und danke für Eure Geduld und Aufmerksamkeit!
Dr. Hubert Seier
Vorsitzender der UWG – Fraktion im Rat der Stadt Selm
– Es gilt das gesprochene Wort –