Wer die Diskussion im Selmer Stadtrat am 15.12. und die folgende Berichterstattung in den RN am 17.12.2022 verfolgt hat, muss sich einfach fragen: Wovor haben die, die gegen den Antrag, zu prüfen, ob in Selm das Bildungsangebot durch die Weiterentwicklung der Selma-Lagerlöf-Sekundarschule (SLS) zu einer Gesamtschule (GS) vergrößert werden soll, eigentlich Angst? Ihren Kindern den bestmöglichen Schulabschluss anzubieten, müsste das Ziel jeder Kommune sein.
Seit längerem schon haben sich die Berufsanforderungen geändert. Es werden höherwertige Abschlüsse verlangt, um den gestiegenen Anforderungen gerecht werden zu können. Das zeigte zuerst das fast völlige Verschwinden der Schulform ‚Hauptschule‘ und das seit Jahren immer geringere Interesse, aus Haupt- und Realschulen neue Sekundarschulen zu gründen. Wenn dieser Wechsel anstand, wurde eine Gesamtschule gegründet.
Auch für die Stadt Selm bestand jahrelang diese Problematik. Deshalb forderte die UWG, schon bei den Vorbereitungen für die Zusammenlegung von Haupt- und Realschule eine Gesamtschule zu gründen, was aber gegen den Willen aller anderen Parteien nicht verwirklicht werden konnte. Seitdem hat in Selm eine Abstimmung mit den Füßen stattgefunden. Immer mehr Schülerinnen und Schüler (SuS) verlassen die Stadt, um in umliegenden Gesamtschulen den von ihnen gewünschten Schulabschluss zu erlangen – momentan ca. 300 SuS, die jeden Morgen die Stadt verlassen.
Jetzt gibt es endlich eine politische Mehrheit, die prüfen lassen möchte, ob eine Weiterentwicklung der SLS zu einer Gesamtschule den Bildungsstandort Selm so verbessern kann, dass sich Eltern und SuS für Selm entscheiden. In der Diskussion über diesen Prüfauftrag glänzte besonders die CDU als Hauptgegnerin mit unkorrekten Zahlen, skurrilen Aussagen und Unwissenheit – wobei allein schon der Satz „Eine Schule wird dabei draufgehen“, übrigens ein fragwürdiger Aufreißer der Berichterstattung, für das undifferenzierte Vorgehen der CDU spricht. Hierzu folgende Anmerkungen:
- Die Anmeldezahlen für die SLS für das Schuljahr 22/23 lagen bei 82 SuS. Sie stiegen deshalb auf 90, weil u.a. 7 GO-IN-SuS aus der Ukraine eingeschult wurden (Schulstatistik März 2022/Dez. 2022)
- Die Behauptung, eine Gesamtschule passe nach Olfen oder Nordkirchen aber nicht nach Selm ist schlichtweg Unsinn.
- Der Hinweis, die Antragsteller für den Prüfauftrag hätten behauptet, 80% aller Gesamtschüler würden das Abitur schaffen zeugt von Unwissenheit. Fakt ist: 80% der SuS, bei Migranten sogar 92%, die das Abitur an einer Gesamtschule schaffen, haben keine gymnasiale Empfehlung am Ende der Grundschulzeit erhalten – ein Faktor, der gerade für die Gesamtschule als eine Schulform spricht, die besonders den sog. ‚Spätentwicklern‘ die Möglichkeit eröffnet, über flexible Bildungssysteme und Förderwege, gemeinsames Lernen, unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsgruppe, Stärkung von sozialem Engagement den für sie besten Abschluss zu erreichen.
- Ein sog. Kampf um Schülerzahlen ist reine Panikmache. In Selm gibt es lt. Schulstatistik im SEK I – und SEK II – Bereich 1600 SuS. Davon besuchen 622 SuS das Gymnasium; übrig bleiben ca. 1000 SuS, die in Selm eine weiterführende Schule besuchen könnten. Das geschieht aber nicht, weil ca. die Hälfte von ihnen die Stadt verlässt, überwiegend weil es hier nicht das gewünschte Angebot gibt. Eine neue Gesamtschule wird viele SuS an Selm binden und zusammen mit dem Gymnasium, das eine verlässliche Schülerzahl hat, viele Kooperationsmöglichkeiten und eine Vielfalt an Kursen in der Oberstufe anbieten.
- Die Aussage „Geld und Personalstunden sind im städtischen Haushalt ein Luxusgut“ ist diskriminierend. Diesen Luxus, die besten Bildungsvoraussetzungen in Selm zu schaffen – und zwar für alle – muss sich eine Stadt leisten können. In diesem Zusammenhang sollte an die vielen Anfragen und Anträge der CDU in dieser Wahlperiode erinnert werden, die natürlich Geld und Zeit kosten.
Zuletzt muss auch die kaum noch nachvollziehbare Ausführung der Familienpartei erwähnt werden, die sich zwar zum Prüfauftrag ‚Gesamtschule‘ der Stimme enthielt, dann aber ankündigte, dass sie natürlich mit ‚Nein‘ stimmen wird, wenn die Umsetzung dieses Antrags Geld kostet. Das sagt eine Partei, die doch alles möglich machen müsste, dass ihre Familienmitglieder die bestmöglichen Bildungschancen vor Ort bekommen.
Fazit: Es gibt kein vernünftiges Argument gegen eine Gesamtschule. Selm braucht eine Gesamtschule.
Peter Bredohl
Mitglied der UWG
sachkundiger Bürger im Ausschuss für Schule, Bildung und Sport