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Haushaltsrede der UWG Selm im Stadtrat 2025 gehalten von Volker Meyer am 20.03.2025

Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ausgangslage

Heute liegt uns ein Doppelhaushalt für 2025 und 2026 zur Abstimmung vor.
Wie bei den Haushaltsberatungen im August letzten Jahres ist erneut ein Minus zu erwarten. 2,25 Millionen Euro im Jahr 2025 und 2,08 Millionen im Jahr 2026.
In der Ausgabe vom 10. März zitierten die Ruhr-Nachrichten das Fazit der Kämmerin: „Wir können es aus eigener Kraft nicht mehr stemmen“, sagte Sylvia Engemann.

Dies gilt aber nicht nur für Selm, sondern für viele Kommunen. In einer Blitzumfrage des Deutschen Städtetages haben 37% von 100 befragten Großstädten angegeben keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorlegen zu können und 47% gaben an, dies nur zu schaffen, indem sie auf finanzielle Rücklagen zurückgreifen. Die Haushaltsdefizite der Kommunen und auch das Defizit hier in Selm sind strukturell bedingt. Die Kommunen erhalten etwa einen Anteil von 15% der gesamten öffentlichen Steuereinnahmen und tragen gleichzeitig 25-30% der staatlichen Ausgaben.
Bereits in meiner Haushaltsrede 2024 hatte ich auf die fehlende Altschuldenlösung und die Ankündigung der Landesregierung die Kommunen zu entlasten hingewiesen. Ganz ehrlich: So recht daran geglaubt habe ich damals nicht.

Doch nun hat die Landesregierung einen Gesetzentwurf hierzu vorgelegt. Der ursprünglich vorgesehene Anteil des Bundes fehlt jedoch. So sind erstmal nur 250 statt 500 Millionen Euro zur Rettung der Kommunen vorgesehen. Wie die verteilt werden sollen und wann es so weit ist, steht noch nicht fest.
Bis zur tatsächlichen Entlastung wird es wohl noch etwas dauern.

Die zukünftigen Koalitionspartner im Bund machen derweil neue Schulden in Höhe von bis zu1000 Milliarden Euro. Wir streiten in der Haushaltskommission um die Planungskosten für ein Bürgerzentrum in Bork, die in Summe 100.000 € ausmachen. Die Diskrepanz in den Beträgen mutet schon etwas komisch an.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der SPD:
Wie alle anderen beklagen auch Sie seit Jahren zu Recht die Finanznot in unserer Stadt.

Die junge Union schreibt neuerdings sogar Briefe an Friedrich Merz und veröffentlicht diese in der örtlichen Tageszeitung.
Bisher hat dies aber offensichtlich nicht ausgereicht, den Verantwortlichen im Land und beim Bund klarzumachen, dass uns das Wasser bis zum Hals steht.

Ich fordere Sie auf: Treten Sie Ihren Mandatsträgern in den Parlamenten sprichwörtlich in den Hintern. Fordern Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen, die hier ihren Wahlkreis haben auf, endlich etwas für die Kommunen zu tun. Denn Sylvia Engemann hat recht, wenn sie sagt: „Wir können es aus eigener Kraft nicht mehr stemmen.“

Haushaltssicherungskonzept und Haushalt

Während wir vergeblich auf die Unterstützung von Bund und Land warten, müssen wir ein Haushaltssicherungskonzept erstellen.
Man könnte es auch ein „Konzept des Verzichts und der Mehrbelastung“ nennen.
Wir verzichten auf freiwillige Leistungen, und wir belasten die Bürgerinnen und Bürger zusätzlich mit höheren Abgaben. Um nichts anderes geht es dabei.

Wie immer stehen erst einmal Kosten im sozialen Bereich ganz oben auf der Streichliste. Im vorliegenden HSK sind dies zum Beispiel:

• Die Schulsozialarbeit wird reduziert.
• Das Streetwork ersatzlos gestrichen.
• Beim Team Jugendförderung sollen im Jahr 2026 50.000 € eingespart werden.
• Im Neugeborenen-Besuchsdienst sollen 38.800 € eingespart werden.
• Die Übermittagsbetreuung in den Grundschulen fällt weg, weil wir das Geld in die OGS stecken müssen.
• Die Elternbeiträge für OGS und Kindertagesbetreuung steigen.

An die Diskussion und die Elternproteste können sich wohl noch alle Anwesenden erinnern.
Die UWG hatte die Erhöhung der Beiträge bereits im Arbeitskreis abgelehnt. Wir tun dies auch weiterhin und lehnen auch alle anderen Kürzungen im sozialen Bereich ab.
Im sozialen Bereich zu sparen, bedeutet man spart bei denen, die Hilfe am nötigsten haben.

Im HSK ist auch vorgesehen, bei der politischen Arbeit zu sparen. So sollen die Fachausschüsse auf das gesetzliche Mindestmaß reduziert werden.
Hierdurch wird der Rat aber kaum entlastet. Allerdings können weniger sachkundige Bürger an der politischen Arbeit mitwirken.
Es wird auf Sachverstand verzichtet.
Transparenz in der kommunalen Politik geht verloren.
Da darf man sich nicht wundern, wenn die Politikverdrossenheit in der Bürgerschaft immer mehr zunimmt und extreme Parteien an Zustimmung gewinnen.
Demgegenüber steht eine jährliche Ersparnis von ca. 20.000 €.
Die werden den Haushalt wohl auch nicht retten.
Demokratie kostet Geld, ist aber unverzichtbar.

Eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung ist bei der Finanzlage Selms auch kaum möglich.

Die Zukunft des Hallenbads, das wir dringend benötigen, ist genauso ungewiss wie die Zukunft der Abrisshäuser an der Kreisstraße.
Mehr Radwege, Ausbau des ÖPNV und viele andere Dinge können wir uns nicht leisten.

Ein kleiner Lichtblick ist der Bau von PV-Anlage auf den Dächern der Umkleidekabinen an den Sportstätten. Wir hätten uns solche auch für das Feuerwehrhaus in Hassel und die neue Rettungswache gewünscht. Doch die Investitionen beschränken sich auf das Nötigste.

16 Millionen Euro werden wir in den Ausbau der Offenen Ganztagsschule stecken müssen. Lediglich 1 Million Euro Zuschuss gewährt das Land. Da bleibt wenig Spielraum für andere Dinge. Und auch dies ist wieder ein Beispiel dafür, wie Entscheidungen von Bund und Land die Kommunen zwingen Geld auszugeben, welches sie nicht haben.

Das Grundgesetz garantiert die Selbstverwaltung der Kommunen.
Doch wenn die nötigen Finanzmittel von Bund und Land nicht zur Verfügung gestellt werden, ist eine echte kommunale Selbstverwaltung unmöglich.

Welche Veränderungen wir in den nächsten Monaten erleben werden, ist schwer abzuschätzen.
Kommt vielleicht doch die ersehnte Entlastung vom Bund?
Was plant die zukünftige Koalition?
Wie entwickelt sich die Wirtschaft vor dem Hintergrund der US-Amerikanischen Zölle und den drohenden Handelskriegen auf der Welt? Kommt ein Waffenstillstand in der Ukraine?
Wir wissen es nicht. Doch diese Entwicklungen werden auch Auswirkungen auf Selm haben.

Trotz der schwierigen Zukunftsprognosen hat das Team um Frau Engemann mit der Unterstützung der gesamten Verwaltung einen Haushalt und das notwendige Konzept zur Haushaltssicherung erarbeitet und zur Diskussion gestellt. Vielen Dank an Frau Engemann und alle anderen, die daran mitgearbeitet haben.

In vier Sitzungen haben wir in der Haushaltskommission diskutiert, gestritten, Ausgaben und Einnahmen gegenübergestellt. Nicht immer waren wir uns einig und am Ende der vierten Sitzung habe ich für die UWG geäußert, dass wir über den vorliegenden Kompromiss in der Fraktion noch sprechen müssen und eine Zustimmung nicht sicher sei.
Aber ich hatte den Eindruck, dass das Ergebnis mehrheitlich Zustimmung findet.

Mit großer Überraschung haben wir als UWG dann die Anträge der CDU-Fraktion und von Herrn Buchalik zur Kenntnis genommen.
Aus heiterem Himmel werden hier Dinge in Frage gestellt, über die in den Sitzungen der Haushaltskommission wiederholt gesprochen wurde. Warum haben wir in vier Sitzungen beraten, wenn dann doch noch so viele Dinge ungeklärt sind?

Herr Buchalik wünscht plötzlich eine Prüfung des Bedarfs und der Kosten des Begegnungszentrums in Bork.
Hierbei handelt es sich um ein Projekt, das mit dem integrierten Handlungskonzept für den Ortsteil Bork vom Rat bereits beschlossen wurde. Welcher Bedarf, wie und mit welchem finanziellen Aufwand abgedeckt werden soll, ist ja gerade Gegenstand der Planung, für die entsprechende Mittel bereitgestellt werden sollen.
In Bezug auf die Investition in die Brücke an der Badestraße hatte Herr Wirth bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass selbstverständlich vor Auftragserteilung für eine Instandsetzung bzw. einen Neubau zuvor noch einmal ein Gutachten und eine genaue Kostenschätzung erfolgen wird. Warum dies nun von Herrn Buchalik extra gefordert wird, erschließt sich uns nicht.

Die Beschattungsanlage am Sunshine wird nicht nur vom Kollegen Buchalik, sondern auch von der CDU-Fraktion in Frage gestellt, obwohl hierüber mehrfach in der Haushaltskommission gesprochen worden ist. Plötzlich tauchen aber wieder neue Fragen auf. Wir haben in dem Zusammenhang auch eine Frage: Warum haben Sie die Fragen nicht in den vier gemeinsamen Sitzungen formuliert?
Auch die plötzlich im CDU-Antrag geforderten Merkpositionen hätte man bereits in den Sitzungen fordern können.
Plötzlich, wenige Tage vor der heutigen Sitzung fällt Ihnen das alles ein, obwohl die Themen Hallenbad und Dorfzentrum Cappenberg ja bereits länger in der allgemeinen Diskussion sind?

Und dann fordern Sie noch die Anschaffung der Musikanlage zu streichen. Auch über diesen Punkt ist in der Haushaltskommission explizit gesprochen worden. In Ihrem Antrag verweisen Sie auf die -ich zitiere: „äußerst angespannte Haushaltslage“ Zitatende.

Im gleichen Antrag fordern Sie aber auch eine Erhöhung der Sportförderung um 10.000 € und eine dynamisierte Erhöhung der Förderung um jährlich 2%. Offensichtlich spielt in diesem Zusammenhang die äußerst angespannte Haushaltslage keine Rolle mehr. Ich glaube ja nicht, dass dies damit zusammenhängt, dass ein Mitglied Ihrer Fraktion auch Vorsitzender des StadtSportVerbands ist, aber auf der einen Seite sparen zu wollen, nicht nur bei der Musikanlage, sondern auch im Bereich der Jugendförderung, aber auf der anderen Seite Geld für die Sportförderung ausgeben zu wollen, ist für die UWG nicht nachvollziehbar.

Die UWG wird weder dem Antrag von Hern Buchalik, noch dem Antrag der CDU-Fraktion zustimmen.
Die Verwaltung hat für die Haushaltsberatungen das Haushaltssicherungskonzept überarbeitet.

Im Ergebnis liegt ein Haushaltsicherungskonzept vor, das im Kern dem HSK aus dem Jahr 2024 entspricht. Dies ist auch nicht verwunderlich; es haben sich ja keine wesentlich neuen Aspekte in den letzten sieben Monaten ergeben.
Und weil es nur wenige Änderungen zum Vorjahr gibt, wird die UWG, wie im letzten Jahr auch, dem HSK nicht zustimmen.
Wie bereits im August des vergangenen Jahres beklagen wir vor allem die hohen Belastungen der Familien durch Elternbeiträge, die Einsparungen im sozialen Bereich und die ab 2027 bereits fest eingeplante Erhöhung der Grundsteuer.

Einem Doppelhaushalt möchten wir auch nicht zustimmen.
Wir möchten dem neu zu wählenden Rat nicht die Finanzplanung ab 2026 vorgeben. Wir verstehen das Ansinnen, einen neuen Rat nicht sofort mit Haushaltsberatungen belasten zu wollen, denken aber, dass in unsicheren Zeiten, in denen heute niemand weiß, was morgen passieren wird, eine Planung für zwei Jahre nicht sachgerecht ist.

Zum Schluss möchte ich im Namen der UWG nochmal allen Mitstreitern aus der Verwaltung und den Fraktionen danken.
Eine demokratische Gesellschaft ist keine Konsensgesellschaft, sondern eine Kompromissgesellschaft.
Doch leider können wir als UWG keinem der heute vorgeschlagenen Kompromisse zustimmen. Auch das kommt in einer Demokratie vor.

Für den nun beginnenden Wahlkampf wünschen wir uns, dass dieser frei sein wird von persönlichen Angriffen und Diffamierungen. Denn nur dann kann nach der Wahl der neue Stadtrat in vertrauensvoller Zusammenarbeit nach den Kompromissen suchen, die für Selm notwendig sind.
Die UWG ist dazu bereit.

Vielen Dank!

 

gehalten von Volker Meyer am 20.03.2025; es gilt das gesprochene Wort

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