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Hubert Seier

Aktuelle Themen & Standpunkte

Haushalt 2023 nicht verabschiedet – Haushaltsrede von Dr. Hubert Seier

Zu einer Verabschiedung des Haushalts 2023 kam es in der gestrigen Ratssitzung (09.02.) nicht. Die Beschlussfassung darüber wurde vertagt, um vorher mehrere Treffen der Haushaltskommission (alle Mitglieder des Haupt-, Finanz- und Digitalisierungsausschusses) stattfinden zu lassen.

Nachdem alle ihre Haushaltsreden gehalten hatten, zeichnete sich schnell ab, dass die Haushaltssatzung mit dem Haushaltsplan so nicht mehrheitsfähig ist. Die UWG-Fraktion hätte den Haushalt 2023 mit allen Anlagen mitgetragen und einen interfraktionellen Arbeitskreis zur Weiterentwicklung des Haushaltssicherungskonzepts unterstützt, es gibt aber Tabus: bei Erhöhungen von Steuern oder Elternbeiträgen wird die UWG nicht mitmachen wie in der Haushaltsrede von Dr. Huber Seier deutlich wird.

Haushaltsrede 2023 der UWG am 09.02.2023 im Stadtrat Selm

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Thomas Orlowski,
sehr geehrte Frau Kämmerin Sylvia Engemann,
liebe Zuhörer:innen und Gäste, liebe Kolleg:innen,

zu einem ungewöhnlichen Datum werden wir heute den HH 2023 beraten, im Februar des betreffenden Jahres und nicht – wie üblich – im Dezember des Vorjahres. Die schrecklichen nationalen und internationalen Krisen haben zu dieser Verschiebung geführt, da seriöse Finanzplanungen kaum möglich sind. Es fällt einem auch äußerst schwer, sich in die Niederungen unseres kommunalen Haushaltes zu begeben bei den aktuellen Vorkommnissen: Angriffskrieg Putins auf die Ukraine, schwere Klimakatastrophen in der Welt, jetzt das schwere Erdbeben in der Türkei und Syrien, drastische Preissteigerungen bei Energieversorgung, Rohstoffen und Lebensmittel sowie Preisexplosionen im Baugewerbe und auf dem Wohnungsmarkt und nach wie vor die nicht überstandene Pandemie.

Aber bei aller Traurigkeit über diese schrecklichen Ereignisse, das reale Leben geht weiter. Haushaltsreden stehen unter dem Aspekt der Auseinandersetzung mit den politischen Mitbewerber:innen sowie der Verwaltung, sozusagen die Aufarbeitung der politischen Arbeit des vergangenen Jahres. Da sich aber seit der letzten Haushaltsverabschiedung vieles um die Beherrschung und die Auswirkungen o.g. Krisen gedreht hat, kam die kommunalpolitische Arbeit leider oft zu kurz.

Es gab aus Sicht der UWG-Fraktion trotzdem auch „strittige“ Themen – z.B.: nach wie vor wenig ambitionierte Bebauungspläne, falsch verstandene Investorenmodelle, viel zu wenig und viel zu langsam umgesetzte Klimaschutzmaßnahmen, …..
Murkserei beim Caritas-Altenwohnhaus in Bork und auch Murkserei beim Hallenbad und beim Aufstellen des B-Planes Hüttenbachweg, wo man sich mal wieder an den Investor geklammert hat, anstatt selbst für die Zuwegung des Baugebietes zu sorgen….. Diese Liste ist sicher nicht vollständig, aber für heute genug.
Positiv möchte ich erwähnen, dass wir nach 12 Jahren endlich eine Abfallsatzung beschlossen haben, die die notwendige weitere Erfassung und Verwertung von Bioabfall unterstützt und nicht konterkariert. Außerdem wurde ein Mobilitätskonzept erarbeitet, bei dem wir hoffen, dass die Umsetzung schneller und effizienter erfolgt als beim Klimaschutzkonzept.

Liebe Kolleg:innen, ich werde heute nur 3 konkrete Punkte ansprechen. Zunächst mal wieder das wichtige Thema Schulpolitik, das ja in Selm bereits jahrzehntelange Tradition besitzt. Heute geht es speziell um die Gesamtschule für Selm. Einige Fraktionen haben sich schon …..oder werden sich noch dazu äußern..?
Unser eigener Prüfauftrag fand Anfang 2021 zwar noch keine Mehrheit, aber jetzt haben wir diesen in der letzten Ratssitzung gemeinsam mit der SPD auf den Weg gebracht. Die CDU gab eine umfangreiche Stellungnahme ab, in der sie u.a. behauptete, „es sei eine Frechheit„ mit welchen Zahlen wir in der Vorlage argumentierten. Dazu kann ich nur sagen, eine Frechheit ist es, so etwas zu behaupten. Alle Zahlen in der Vorlage sind belastbar und mit Quellen zu belegen. So ging es u.a. darum, dass ca. 80 % der Schüler:innen, die an einer Gesamtschule ihr Abitur schaffen, in der Grundschule keine gymnasiale Empfehlung bekommen hatten. Weiterhin wurde behauptet eine Gesamtschule passe nach Olfen oder Nordkirchen aber nicht nach Selm. Das mag einer verstehen, wir jedenfalls nicht, zumal wenn man weiß, dass seit Jahren jeden Tag ca. 300 Schüler:innen Selm verlassen, um eine Gesamtschule auswärts aufzusuchen.
Gerade gingen ja die Zahlen der Abweisungen durch die Presse. Nordkirchen musste 54 Kinder und Olfen/Datteln 108 Kinder ablehnen. Wieviel davon aus Selm kommen, ist leider nicht bekannt…..
Auch der sehr populistische Satz “ …eine Schule wird dabei draufgehen…“ ist eine unverschämte Behauptung und hat mit der Realität rein gar nichts tun. Durchschnittlich 1.700 Selmer Schüler:innen besuchen eine weiterführende Schule, wobei fast 500 Schüler:innen täglich die Stadt Selm verlassen..
Die Krönung der CDU – Stellungnahme war aber die Aussage „Geld und Personal für Prüfaufträge bereitzustellen sei im städtischen Haushalt ein Luxusgut“. Dies ist ebenfalls eine Frechheit von der CDU, die in dieser Wahlperiode geradezu an „Anfrageritis“ leidet und zudem selber zahlreiche Prüfaufträge beantragt. Es gilt, Prüfaufträge im Zusammenhang mit besten Bildungschancen für unsere Kinder müssen für jede Kommune eine Selbstverständlichkeit sein und sind sicher keine Luxusgüter!
Die UWG steht selbstverständlich zu unserer Sekundarschule. Aber wir haben bereits in der Gründungsphase immer wieder darauf hingewiesen, dass die Errichtung der Sekundarschule der erste Schritt hin zu einer Gesamtschule sein muss. Wir gehen davon aus, dass im nächsten Schulausschuss ein erster Zwischenstand zum Prüfauftrag gegeben wird….

Liebe Zuhörer:innen, ich komme zum zweiten Punkt:
Trotz aller oder gerade wegen der aktuellen Krisen – ist das wichtigste Thema der Zukunft Klimaschutzpolitik und Klimaanpassungsmaßnahmen. Auch in meiner letzten HH – Rede bin ich natürlich auf dieses Thema eingegangen. Nach den Klima-Katastrophen an vielen Orten muss jedem klar sein, wir müssen uns schleunigst auf den Weg machen konkrete, praktikable und vor allem schnell wirkende Maßnahmen umzusetzen. In dem Sinne jede Massnahme hift!
Der BM spricht zwar häufig davon, dass bereits Vieles umgesetzt sei, (….Wir sollen ja im Ausschuss im März einen umfassenden Bericht dazu erhalten….) aber da ist unserer Meinung nach noch viel Luft nach oben.
Ein etwas klägliches Beispiel ist das vor kurzem umgesetzte Projekt „mobile Bäume auf dem Campus“. Hierbei von Klimaschutzmassnahmen zu reden, ist mehr als lächerlich. Besser wäre es, – so wie wir es mehrfach gefordert haben – Begrünungs- und dauerhafte Baumpflanzungen auf dem Campus entlang der Bebauungen als echte Schattenspender und sinnvolle Klimaschutzmassnahme zu realisieren…..

Ein weiteres Beispiel zur „schnellen“ Umsetzung von Klimaschutzmassnahmen: die PV – Anlage auf der neuen Zweifachturnhalle. Seit 2017 setzt die UWG sich sehr vehement für diese Errichtung ein und wurde immer wieder vertröstet, wenn es um die Mittelbereitstellung für die PV-Anlage ging. Fakt ist, seit 2019 ist das Dach bautechnisch vorhanden und bereits vier Sommer sind vergangen, in denen man jeweils 100.000 KWh EEG – Strom hätte produzieren und somit weit über 200 Tonnen CO2 einsparen können. Das Lange Warten auf die jetzt zugesagten Fördermittel kann diese verpassten Chancen auch nicht annähernd kompensieren. Wir hoffen nur, dass die Sonne in diesem Jahr endlich zum EE-Ertrag führen wird!
Ein anders Beispiel, Frei – Flächen PV: bisher ist in Selm noch nicht 1 m2
realisiert, aber schon möchte der BM dieses Thema aufgreifen und geeignete Flächen festlegen, um einen „Wildwuchs“ zu vermeiden. Das ist kontraproduktiv. Man sollte erst einmal schauen, wer denn solche Anlagen realisieren möchte. Dabei ist auch uns vollkommen klar, dass es besser ist, geeignete Dächer zu belegen. Es ist ja leider immer noch so, dass über 85 % geeigneter Dachflächen nicht mit PV-Elementen belegt sind. Das muss sich schleunigst ändern.
Gerade haben wir in der Zeitschrift vom Städte- und Gemeindebund erfahren, dass die größte Aufdachanlage in NRW auf einem Logistikbetrieb in Wülfrath mit 4,35 MW-peak entstanden ist, die Strom für ca 1.400 HH liefern kann. So eine Meldung würden wir uns auch von den Hallendächern von Cordes & Graefe (Logistikbetrieb mit hohem Strombedarf……) an der Werner Str. wünschen. Der Bauherr hat ja eine PV – Anlage auf den 30.000 m2 großen Hallen in Aussicht gestellt. Schau`n wir mal wie groß die Anlage wird….

Liebe Kolleg:innen, nun komme ich zum dritten und letzten Punkt:
Finanzen und Haushalt 2023
Seit 1994 ist unser HH nicht mehr ausgeglichen. Heute, fast 30 Jahre später sieht es nicht besser aus. Ich werde aber hier nicht einzelne Positionen herausstellen, die ja allen bekannt sein dürften und uns bereits von Frau Engemann und Herrn Murlowski näher gebracht wurden.
Nur soviel: 83,5 Mio Erträge stehen 89,1 Mio Aufwendungen gegenüber, was ja zu einem ordentlichem Ergebnis von – 5,6 Mio und mit den – 1,5 Mio aus dem Finanzplan dann insgesamt zu – 7,1 Mio Verlust aus der laufenden Verwaltungstätigkeit führen würde. Das würde bedeuten, der HH wäre nicht genehmigungsfähig, wenn es nicht CUIG geben würde.

Denn durch diesen „Bilanztrick“ stellt sich ein zu erwartendes Jahresergebnis von ca. 313.000 € ein und die Stadt Selm hat nach langer Zeit ein positives Eigenkapital und gilt somit nicht mehr als überschuldet. Dieser Bilanztrick wird ja von den meisten abgelehnt mit dem Hinweis, dann müssten künftige Generationen die Lasten tragen. (….Dazu gleich mehr…..)
Die Gesamtverschuldung der Stadt Selm wird im Jahre 2023 bei über 114 Mio Euro liegen. Dabei stehen 68,7 Mio Euro „gute Investitionskredite“ und 45,4 Mio Euro „schlechte Kassenkredite“ auf dem Schuldendeckel. Die mittelfristige Perspektive lässt sich zwar schwer prognostizieren, wird aber im Haushaltsplan bis zum Jahre 2025 auf über 136 Mio und 2026 gar auf über 146 Mio Euro Gesamtschulden ansteigen.
Wer ernsthaft glaubt, dass wir aus eigener Kraft diesen Schuldenberg abbarbeiten können, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten…..

An dieser Stelle ein kurzer Einschub zum Thema „Corona – Deckel“ (bzw. CUIG), der 2023 ca. 7,5 Mio Euro aufweist. (…Vor weg eins…selbstverständlich wäre echtes Geld vom Bund und Land besser als Bilanztrickserei….. ).Wenn diese Summe aber nicht als „Erträge“ ausgewiesen werden dürften, müssten wir diese Schulden sofort Kredit finanzieren. Durch Zins und Tilgung würden dafür ca. 700.000 €/a – 15 Jahre lang – benötigt und unser HH wäre damit nicht genehmigungsfähig. Im nächsten Jahr ginge das dann so weiter bis 2026 ca. 30 Mio Euro auf dem „Deckel“ stehen. Es wären dann jedes Jahr weitere Kredite über jeweils ca. 7,5 Mio Euro notwendig. Wenn aber, so wie im CUIG festgelegt in 2025 entschieden wird, wie mit den 30 Mio umzugehen ist, können diese dann über 50 Jahre mit 600.000 €/a „zurückbilanziert“ oder auch schneller zurückgezahlt werden. Was bei der Variante (Sofortiges Zurückzahlen) generationengerechter sein soll, erschließt sich mir nicht, denn alle Schulden, die wir machen, gehen zu Lasten der nächsten Generationen. Im übrigen glauben (hoffen) wir, dass es gut vorstellbar ist, dass diese Corona-Schulden als erstes übernommen werden, wenn endlich die Altschuldenthematik angegangen wird. Denn in jedem Wahlkampf werden von allen Parteien immer deutliche Hilfen bezüglich der verschuldeten Kommunen versprochen…. Wer´s glaubt wird selig“….

Aber wir müssen daran glauben und vor allem politisch dafür kämpfen, denn mit eigener Kraft ist diese immense Verschuldung nicht zu stemmen!
Hierzu gibt es auch eine entsprechende Resolution des Kreistages, die die Bundes- und Landesregierung auffordert, eine auskömmliche und zukunftsfähige Kommunalfinanzierung sicherzustellen.

Die UWG-Fraktion betont dies ja auch mantraartig in regelmäßigen Abständen gegenüber den jeweils regierenden Parteien…(Stichwort: Konnexitätsprinzip) ( ….gerade jetzt ist die Konstellation günstig, alle 5 Parteien sind im Boot, die Ampel im Bund und die Schwarz – grüne Koalition in NRW …). Im Koalitionsvertrag wurde mal wieder von allen beteuert, die Kommunen finanziell besser zu stellen. Der Finanzminister Lindner könnte ja endlich beginnen mit dem Altschuldenschnitt! Da muss dann sicher mehr als die Bazooka herausgeholt werden und aus dem Doppel – Wumms müsste mindestens ein Dreifach – Wumms werden! Das wäre dann doch mal eine absolut sinnvolle Mittelverwendung!

(…..wenn man allerdings die Antworten der Bundespolitiker auf die o.g. Resolution des Kreistages liest, verliert man leider schnell die Zuversicht, dass das schon klappen wird, mit dem Altschuldenschnitt….außer Lippenbekenntnisse und gegenseitige Schuldzuweisungen findet man nichts Konkretes in diesen Schreiben….)

Liebe Kolleg: innen und Zuhörer:innen, ich komme zum Schluß
Die UWG trägt den Haushalt 2023 mit allen Anlagen mit und gibt konkret zum Haushaltsplan 2023 nur noch eine Anmerkung. Wir unterstützen den angestrebten interfraktionellen AK, um das Haushaltssicherungskonzept weiter zu entwickeln.
Aber (….liebe CDU und FDP, es gibt sehr wohl Tabus bei der UWG….) bei Steuererhöhungen und auch bei Erhöhungen von Elternbeiträgen wird die UWG nicht mitmachen.
Auch notwendige Investitionen für Umwelt- und Klimaschutz sowie Bildungsinfrastruktur und Kinderbetreuung sind aus Sicht der UWG unerlässlich. Falls in den nächsten Jahren die Erträge nicht ausreichen, müssen die verantwortlichen Parteien auf Landes- und Bundesebene Hilfe leisten und eben nicht unsere Bürger:innen vor ORT. Diese sind in keiner Weise für das finanzielle Dilemma in den Kommunalkassen verantwortlich! ….

Zu guter letzt bedanken wir uns bei Sylvia Engemann und Stefan Murlowski mit ihren Mitarbeiter: innen für die Aufstellung des Haushaltsplanes und die stets bereitwillig gegebenen Erläuterungen. Außerdem gilt unser Dank auch den anderen Mitarbeiter:innen der Stadtverwaltung – Stellvertretend sei hier Georg Hillmeister genannt – für ihre stets umfassende und freundliche Unterstützung in allen Fragen rund um das Stadtratsgeschehen.

Uns allen wünsche ich beste Gesundheit und viel Zuversicht für das Kommende, euch allen mit euren Familien eine gute Zeit!

Und danke für Eure Geduld und Aufmerksamkeit!

Dr. Hubert Seier
Vorsitzender der UWG – Fraktion im Rat der Stadt Selm

– Es gilt das gesprochene Wort –

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