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Rede zur Haushaltskonsolidierung von Maria Lipke

Rede zum Konsolidierungskonzept des Finanzberaters M. Mutter in der Ratssitzung am 19.06.08 von Maria Lipke, Fraktionsvorsitzende der UWG im Rat der Stadt Selm
Es gilt das gesprochene Wort.

Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren!

Mit einem Kraftakt will man aus der Schuldenfalle kommen.
Ein Defizit von 6 Millionen Euro soll durch Rotstiftpolitik geschlossen werden. Gefunden wurde ein Potential von 4,7 Millionen.
Ein Potential das kaum Überraschungen mit sich bringt.
Die meisten der 80 Änderungen sind absolut banal.
Für die Neuausschreibung des Arbeitsmedizinischen Dienstes
oder des Kulturkalenders, nur als Beispiel von vielen weiteren Maßnahmen, bräuchten wir keinen teuren Berater,
erst recht nicht für Steuererhöhungen.
Die Überlegungen zur Haushaltskonsolidierung erschöpfen sich
außerdem auf drei Hauptthemen, die auch nicht neu sind:
Stellenabbau, Kürzungen in der Sport- und Bildungspolitik, Steuer- und Gebührenerhöhungen.
Da fühlt man sich als Ratsmitglied ziemlich veralbert,
wenn Herr Hußmann in einem Interview sagt, er,
bzw. die Verwaltung habe Herrn Mutter 114 Sparvorschläge unterbreitet,
von denen sich 80 im Gutachten wiederfänden.
Wohlgemerkt 80 von 83 Maßnahmen kommen aus der Verwaltung?
Auch Herr Mutter sollte sich veralbert fühlen,
denn in den Maßnahmen findet sich für über 200.000,– Euro Einsparpotential für längst beschlossene Sachen.
So gehen z.B. „Reduzierung der Ratsmitglieder, Energieeinsparung an Schulen“ und die Vermarktung verschiedener städtischer Grundstücke nicht auf das Konto der Berater.
Eine Haushaltskonsolidierung steht an, die also mit vielen Fragezeichen zu versehen ist.
Der dickste Brocken in der Konsolidierung soll im Personalbereich stattfinden, 3,1 Mio Euro Potential sieht Herr Mutter.
Personalabbau ist die Vernichtung von Arbeitsplätzen, kann zu Arbeitsverdichtung, Überforderung und Stress führen oder dazu,
dass öffentliche Leistungen ausgedünnt oder eingestellt werden müssen.
Das nimmt man billigend, in Kauf.
Auch das leidige Thema Ablösung der Eigenreinigung durch Privatisierung kann man nicht kommentarlos genehmigen,
denn man vergleicht Äpfel mit Birnen, Turnhallen mit Büroflächen.
Eine Gegenrechnung der Kosten und der Instandhaltung wird nicht gemacht.
Die Maßnahme hat außerdem Lohndumping zur Folge
und man errechnet nicht, ob dadurch eine Aufstockung nach Hartz 4 oder aufstockende Sozialhilfe nötig sein wird,
was schließlich auch von Stadt und Land finanziert werden muss.
Sparen bei der Freizeit- und Bildungspolitik kann auch zum Bumerang werden.
Das Glück der Menschen und auch ihre Probleme realisieren sich in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld, in den Kommunen.
Hinzu kommt, dass sich allmählich herumgesprochen hat,
dass Kultur- Sport- und Bildungsangebote Standortfaktoren sind.
Wer lässt sich schon gerne in einer Stadt oder Region nieder,
die kulturell nichts zu bieten hat oder gar in dem Ruf steht,
bei Bildung und Kultur besonders schnell den Rotstift zu zücken.
Bildung Sport und Kultur sind Bürgerrechte,
nicht die Sparschweine der Nation.
Die Reform scheint zu einem Fiasko zu werden,
wenn man den Bereich Kinder und Jugendliche bzw. Familien betrachtet.
Gebührenerhöhungen in der Musikschule,
Kürzungen in allen Bereichen der Jugendarbeit,
in den Kindergärten, und für die Waldschule.
Stehen wir jetzt schon beim Famlienatlas an Bezug auf Familienfreundlichkeit an letzter Stelle im gesamten Bundesgebiet,
will man trotzdem das Freibad, das in erster Linie von Kindern besucht wird, und zig Kinderspielplätze schließen.
Aufgrund der Kürzungen im Sportbereich sind Vereinsauflösungen zu befürchten,
die wiederum durch Kosten in der Jugendhilfe
der Stadt teuer zu stehen kommen können.
Die Gebühren und besonders die vorgesehene Steuererhöhung können ebenfalls nur Kopfschütteln hervorrufen.
Sparen und nochmals Sparen um Haushaltsdefizite abzubauen,
ist in etlichen Bereichen ökonomisch falsch
und Sparen als einzige Weisheit ein Armutszeugnis.
Dieses gilt für pauschale Kürzungen der freiwilligen Leistungen,
und für die Streichung von Ausbildungsstellen.
Auch der Verkauf von Schulgebäuden zu einem Zeitpunkt,
wo sich die Schullandschaft durch Nachmittagsunterricht
und durch eine zu erwartende veränderte Schulpolitik mächtig verändern wird, halten wir für kurzsichtig.
Auch vor dem Hintergrund der explodierenden Spritpreise halten wir
eine Reduzierung des ÖPNV für absolut kontraproduktiv
und nicht zu vertreten.
Wenn man sich dann die dicksten Brocken der Eckwerte ansieht,
fällt zudem auf,
dass viele Maßnahmen und die Einsparberechnungen,
mehr als zweifelhaft sind.
So können wir uns nur schlecht vorstellen,
dass das Jugendamt und das Sozialamt an den Kreis zurückdelegiert werden können
und andere Städte für Selm herhalten.
Ganz abgesehen davon, dass eine Auslagerung auch für die Bürger der Stadt sicherlich keine gute Lösung darstellt und es
Aufgabe der Politik ist, auch diese,
von der Maßnahme betroffenen Menschen, im Blick zu haben
und nicht nur die Finanzen.
Auch die Gründung der Stadtwerke bzw. der Stadtbetriebe ist noch heiße Luft.
Realistisch gesehen bleibt von den anvisierten gut 4 Millionen nicht viel übrig. Herr Mutter hat allerdings mit Zahlen und Fakten der Kommunalaufsicht bewiesen, dass in Selm die Ausgaben für Pflichtaufgaben,
die Einnahmen schon seit Jahren übersteigen und
dass daraus die Haushaltslöcher resultieren,
die mit teuren Kassenkrediten gestopft werden müssen.
Vielleicht kommt diese Botschaft in Düsseldorf endlich an.
Ein neues Gemeindefinanzierungsgesetz ist für Städte wie Selm nötiger denn je.
Es gibt reiche Städte, es gibt arme Städte.
Und genau dieses ist das Hauptproblem der Gemeindefinanzen
in Zeiten des Aufschwungs.
Zwar nehmen die Einnahmen zu,
der Anstieg der Sozialausgaben wird gebremst,
doch geht die finanzielle Entspannung an Gemeinden wie Selm bislang vorbei. Es gibt keine bedarfsgerechte Finanzausstattung mit einer sozialen Komponente.
Immer noch gibt es keine Lösung für die Gemeinden,
die seit vielen Jahren Defizite anhäufen und ein Haushaltssicherungskonzept nach dem anderen aufstellen.
Immer noch schieben Bund und Länder die Verantwortung für die Finanzausstattung der Gemeinden hin und her
und denken zunächst an ihren eigenen Haushalt.
Die Bürger kommen für die Folgen der verfehlte n Geschäftspolitik der Banken auf.
Wegen sinkender Steuereinnahmen werden z B die Verluste der WestLB auf die öffentlichen Haushalte von Bund Ländern und der Städte und Gemeinden übertragen.
Daimler Chrysler macht 2006 Gewinne in Höhe von 6 Mrd. Euro und zahlt keinen Euro Steuer
2006 verteilt der Bund 5 Mrd. Euro Subventionen an Firmen,
die Arbeitsplätze im Ausland schaffen, ein Irrsinn.
Ich meine, wir können zusammen mal über mehr Steuergerechtigkeit
und damit verbesserte gerechte Einnahmen für die Kommunen nachdenken, sowie über eine andere Wirtschaftspolitik.
Alle die wir damit wieder in Lohn und Brot bringen,
würden uns nicht nur danken,
wir würden auch gleichzeitig die öffentlichen Kassen entlasten.
Abschließend sei zu sagen, dass die UWG-Fraktion zu Einzelmaßnahmen Ja sagen wird, zur kritischen Bearbeitung von Konzepten bereit ist, d.h. die Konzepte als Markt der Möglichkeiten,
nicht als Markt der Notwendigkeiten ansieht und das Gesamtpaket jedoch in keinster Weise mittragen kann.

Vielen Dank!

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