Herr Bürgermeister!
Meine Damen und Herren,
wenn sie jetzt den üblichen jährlichen politischen Schlagabtausch der UWG-Fraktion erwarten, muss ich sie enttäuschen, denn ich erlaube mir zurückzublicken, zurückzublicken auf meine „Haushaltsredenzeit“, sozusagen „Best-of“! Zitate, alles Zitate aus meinen Haushaltsreden:
Es begann 1989
„Vielleicht wäre es ein weiterer Schritt für unsere Stadt, es der italienischen Gemeinde Cinisello Balsamo gleich zu tun, die den Verkauf und Verwertung biologisch nicht abbaubarer Plastiksäcke untersagt hat!“
Nochmals 1989
„Gerade in Bork kann man sehen, wie man es nicht machen sollte. Die CDU-Abrisspolitik der vergangenen Jahre hat aus Bork einen Ortskern gemacht, der aussieht wie ein schlechtes Gebiss, lauter Lücken.“
1990
„Ganz schlimm wird dieser Historismus wenn man sieht was der Freundeskreis für Bruchtumspflege alles mit unserer Stadt vor hat:
Bau einer Ölmühle am Selmer Bach, ein Kiepenkerl Denkmal, einen Sämann auf dem Acker, ein Wasserstandshahn mit Bergmannsfrau, den Amtsdiener mit Glocke vor dem Amtshaus usw. usw.
geschätzte Kosten: 530 Tausend DM.“
1991
„Wir freuen uns, dass Michael Steinbrecher aufgrund eines Antrages der UWG den Kulturförderpreis der Stadt Selm erhalten hat“.
und
„Die drohende Privatisierung im Reinigungsbereich ist ein eminent wichtiges frauenpolitisches Thema, denn diese geplante Privatisierung vernichtet zuhauf Arbeitsplätze für Frauen.“
1992
„Die UWG hat einen einen Antrag auf Einrichtung einer Stadtbuslinie gestellt!“
1993
„Das von der UWG geforderte Stadtökologische Leitbild wurde beschlossen!“
1994
Da ging es los – meine Haushaltsrede 1994 begann mit: „Auf Schrumpfkurs ist er, der städtische Haushalt und nicht mehr ausgeglichen.“
1995
„Ohne Moos nix los. Ein relativ tristes Haushaltsjahr wird verabschiedet und von der UWG mitgetragen!“
1996
Ebenso 1996: „Durch das Land wehen Begriffe wie Sparkommissare, Haushaltssicherungsgesetz, Haushaltskonsolidierung, Finanzkrisen der Städte, Zahlungsunfähigkeit und Einschränkungen der freiwilligen Leistungen“.
1997
„Die CDU hat die Gründung von Stadtwerken verhindert.“
„Und wenn im Jahre 2015 unsere Nachfolger hier im Rat mit den Begriffen Tagesneuwert und Sachzeitwert Ärger haben, weil hier wohlwissend erneut ein Konzessionsvertrag abgeschlossen wurde, der einseitig den Interessen von VEW Rechnung trägt, dann sagen sie bitte ihren Kindern oder Enkelkindern nicht: ich war es damals nicht, ich habe dagegen gestimmt! Deshalb haben wir namentliche Abstimmung verlangt.“
1998
„Es kann nicht angehen, dass die Kirchengemeinden völlig unverhohlen begrüßen, dass eine bestimmte Person Bürgermeisterkandidatin in Selm ist. Die Zeiten, dass von der Kanzel verkündet wurde, wo das Kreuzchen gemacht werden muss, sind schließlich längst vorbei. Wir leben weder im Mittelalter, noch im tiefsten bayerischen Wald.“
1999
Wahljahr!
„Im Wahljahr darf man nicht ironisch oder gar überspitzt auftreten. Ich hätte doch noch so gerne, nach Art der Bullemänner für Bork noch einen Schrottplatz im Haushalt gefordert, weil doch die letzte Männerdomäne, der Schützenverein in Bork jetzt auch für Frauen geöffnet wurde.“
2000
„Selm müßte sich weiterentwickeln, wir vermissen Ideen, nichts bewegt sich, Selm bewegt sich bestenfalls rückwärts. Das sogenannte Regierungsprogramm der CDU gibt es gar nicht! Und sollte es irgendwann doch noch kommen und darin mehr verlangt wird als der zusätzliche Streifenwagen, werden wir dem Haushalt auch wieder zustimmen.“
2001
„Ein Offenbarungseid der CDU, die CDU gibt zu, dass sie es trotz oder gerade wegen ihrer absoluten Mehrheit im Rat der Stadt Selm nicht geschafft hat den Haushaltsplan zu überblicken.
Die CDU kann die Verantwortung nicht tragen!
Und: sie traut der Verwaltung nichts zu und rät zu externen Beratern.“
2002
„Und ich möchte auch mit dem Unmut schließen, dass wir immer wieder die Erfahrung machen müssen, dass von Seiten der Verwaltungsspitze nicht mit offenen Karten gespielt wird, dass man nicht ehrlich mit uns umgeht.
Dass mit Halbwahrheiten jongliert wird, dass immer wieder versucht wird, uns als Fraktion Informationen vorzuenthalten. Das Spiel geht bis zur bewußten Fehlinformation.“
2003
„Meine Damen und Herren von CDU und SPD:
Wer macht denn diese Politik, wer ist denn der Staat?
Sind es nicht die Bundestagsabgeordneten, oder die Landtagsabgeordneten, die die Regierung stellen? Der Staat ist nicht vom Himmel gefallen, sondern hat, um mit Brecht zu reden – Name, Anschrift und Gesicht.
Sie, die Mitglieder der Parteien in den Städten und Gemeinden, sie haben es doch an der Basis in der Hand, diese Personen auszutauschen, warum lassen Sie es zu, dass Ihre Abgeordneten die Städte in den Ruin treiben? Sie haben das alles mitzuverantworten.“
2004
„’Nehmen Sie uns beim Wort hierfür steht die CDU in Bork ein,‘ hatte die CDU im Wahlkampf versprochen. Ja und dann kommt`s:
Man verspricht: Rückbau und Gestaltung der Waltroper Straße – Hauptstraße – Adenauerplatz – Kreisstraße – Auf der Schlucht.
Und was wurde gemacht? Auf die Landesmittel von rund 4 Mio DM für diese Ortskernsanierung wurde verzichtet.“
2005
Wir haben einen neuen Bürgermeister.
„Hundert Tage Kredit erhält gewöhnlich ein neuer Amtsinhaber. Selbstverständlich stehen die auch Herrn Hußmann zu. Viel ist deshalb auch noch nicht zu berichten, über und vom neuen Bürgermeister, nichts Schlechtes, aber auch noch nichts auffallend Gutes.“
2006
„Die Kameralistik, wird jetzt abgeschafft und wird durch Doppik oder NKF ersetzt. Doch wie jedes Werkzeug muss NKF mit Verstand gehandhabt werden. Wir Ratsmitglieder sind gefordert, durch Qualifizierung und durch kritische Begleitung sollte es uns gelingen.“
2007
Das Unheil begann im Februar: Vorlage 26/2006 vom 14.02.2006 „Entwicklung der Grundschulen in Selm. Die Ratsfraktionen werden aufgefordert, je einen Vertreter für die Mitarbeit im „Arbeitskreis Grundschulentwicklung“ zu benennen.“
„Man müsse mal über die Grundschullandschaft reden!“
„Kümmern wir uns auch um die Hauptschule!“
„Wir sollten über eine Gesamtschule nachdenken“!
2008
„Die CDU möchte die Gründung von Stadtwerken verfolgen!“
und:
„Wir möchten gerne mit der CDU ein Gesamtpaket schnüren,“ so das Angebot der SPD an die Christdemokraten!
Dieses Angebot der Opposition griff die CDU gerne auf.
Die RN titelten am 4.12.2007 „CDU und SPD gemeinsam“
Die große Koalition war geschlossen und öffentlich geworden! Zweckbündnis auf Zeit nannten es beide Fraktionen.“
und auch 2008
„Die CDU verweigerte in der Sonderratssitzung die Zustimmung zur Einleitung des Abwahlverfahrens gegen Bürgermeister Hußmann.“
und:
„Lassen Sie die dritte Klasse in Hassel bestehen, so lange es geht, wir brauchen diese Schule! Verkaufen Sie bloß nicht die Lutherschule!“
doch dann 2009 kam sie doch
„Die sogenannte Neuordnung der Grundschulen, brachte die Schließung von Lutherschule und Hassel und den Verlust der Selbständigkeit der Cappenberger Schule“.
2010
„Wir haben einen neuen Bürgermeister. Hundert Tage Kredit erhält gewöhnlich ein neuer Amtsinhaber. Selbstverständlich stehen die auch Mario Löhr zu.
Die 100 Tage sind gerade vergangen, deshalb möchten wir uns noch kein abschließendes Urteil erlauben, über den neuen Bürgermeister Vielleicht, dass Bürgermeister Löhr sichtbar bemüht ist, eine andere Politik zu betreiben, als seine Vorgänger, dass er bereits viele Dinge angestoßen hat und viel Optimismus verbreitet.“
2011
„Angesichts der Atomkatastrophe in Japan kann ich nicht einfach zur Tagesordnung kommen und eine Haushaltsrede halten. Im Lichte der japanischen Ereignisse sind Beschwerden, Kritiken in Haushaltsreden und Haushaltsreden an sich absolut unwichtig. Wir haben andere Sorgen!“
2012
„Meine Damen und Herren,
auf Seite 9 des Haushaltsplanes stehen unter § 6 die Steuerhebesätze für die Gemeindesteuern und damit bin ich beim absoluten Knackpunkt des Haushaltes für die UWG-Fraktion:
Grundsteuer A 600 v.H.
Grundsteuer B 825 v.H.
Folgerichtig, dass kann ich hier vorwegnehmen, folgerichtig, lehnt deshalb die UWG-Fraktion nach zweijähriger Unterstützung, in diesem Jahr den Haushalt mit allen Anlagen, ab.“
2013
„Und da dieser hier vorliegende Haushaltsplan die Grundsteuer- Spitzenzahlungen der gesamten Republik verfestigt, sieht die UWG-Fraktion keine Möglichkeit, dem Haushaltsplan 2013 / 2014 ihre Zustimmung zu geben.“
„Aber, Herrn Bürgermeister,
Sie haben weiterhin unsere volle Unterstützung, besonders wenn die große Koalition mal wieder versagt, bei der Trinkwasserversorgung und der Gasversorgung und später der Stromversorgung durch die Stadtwerke, das war immer schon das große Anliegen der UWG-Fraktion und wenn die Stadtwerke nicht vor 16 Jahren von der CDU verhindert worden wären, hätten wir nie einen Nothaushalt, mit all diesen Konsequenzen gehabt, hätten nie die Grundsteuer derart erhöhen müssen.
Herr Bürgermeister,
Sie haben immer noch die Unterstützung der UWG-Fraktion bei der Stadtentwicklung, der Entwicklung der Stadtwerke und allen Masterplänen. Sie haben unsere Unterstützungen, und die Bitte, dafür zu sorgen, dass die Stadt attraktiver wird und wie gesagt, wenn Sie uns brauchen, dann sind wir da, besonders um der CDU endlich die Stadtentwicklung für Bork aus der Hand zu nehmen.
Kümmern Sie sich bitte besonders um Bork, das ist auch mein persönlicher Wunsch.“
Das war 2013 / 2014.
2015 / 2016
„Um es gleich vorwegzunehmen: Die UWG-Fraktion trägt den diesjährigen Haushalt mit allen Anlagen mit!
Weil: Weil wir gerne in Selm leben, Selm ist eine liebenswerte Stadt.
Und: „Selm macht sich!
Sparwille und Haushaltskonsolidierung sind ausgeschöpft, Geiz ist überhaupt nicht mehr geil und mit diesem Haushaltsplan werden Investitionen in Selm getätigt wie nie zuvor und wir möchten uns nicht nachsagen lassen, dass die UWG-Fraktion Fördermittel zurückweist.
Wir erwarten und fordern außerdem, dass man sich um Cappenberg kümmert: Cappenberg verkümmert nämlich, ist vollkommen aus dem Fokus der Stadtplanung verschwunden.“
2017 / 2018
„Am Mittwoch dem 9.11. früh teilte mir mein Iphone rücksichtslos und knallhart mit, dass Donald Trump US-Präsident wird.
Am nächsten Tag, Donnerstag, Haupt- und Finanzausschuss:
Burg Botzlar kaum beheizt, da verdonnerte mich der Bürgermeister dazu, ein Stadtentwicklungs-Konzept für Bork zu erarbeiten, eine Kneipe in Bork zu betreiben, und die Schrottimmobilien Borks aufzukaufen, und ausgerechnet auf dem Marktplatz soll ein Altenwohnheim frisches Blut nach Bork bringen!“
2019 / 2020
„Die Ausgangslage auf dem Papier ist gut. Es gibt sozusagen eine schwarze Null. Doch der Eindruck täuscht! Selm lebt von der Hand in den Mund. Denn dahinter steckt immer noch ein astronomischer Schuldenberg von allein 42 Mio. Liquiditätskrediten.
Mehr als 20 Jahre Unterversorgung der NRW Kommunen, ausgelöst vorwiegend durch die Lasten der Deutschen Einheit, hat das finanzielle Fundament auch dieser Stadt zerstört.
Diese Rede wird meine letzte Haushaltsrede sein, denn der letzte Haushalt dieser Wahlperiode wird heute hier verabschiedet. Und deshalb erlaube ich mir, ein wenig persönlich zu werden. Namen zu nennen, Fraktionen zu kritisieren, was ich früher immer vermieden habe.“
Ja, meine Damen und Herren, diese Wiederholungen erspare ich Ihnen, sie können alles nachlesen unter uwg-selm.de
Sie werden gemerkt haben: Es gab in den ganzen Jahren den Tenor: Selm ist pleite, der Staat lässt seine Kommunen verhungern, die Selmer haben finanziell mehr zu leisten als die Nachbarkommunen.
Meine Damen und Herren,
z. Zt. sieht es etwas besser aus, die Landesregierung und auch der Bund haben erkannt, dass sie die Lazarus-Städte unterstützen müssen, man spricht sogar von einem Altschuldenschnitt, das kann ich nur befürworten.
Meine Damen und Herren,
die UWG-Fraktion hat abgesehen von der Regierungszeit von Frau Coenen, später auch von Herrn Hußmann und wegen der Grundsteuererhöhung die Haushalte der Stadt Selm immer mitgetragen! Das machen wir auch dieses Mal. Wir bedanken uns ausdrücklich bei Mario Löhr für seine Anstrengungen Selm nach vorne zu bringen, und ich wünsche Thomas Orlowski, dass er in diesem Sinne weitermacht und möchte hier direkt die Unterstützung der UWG-Fraktion ankündigen.
Und wie immer in den vielen Jahren bedanke ich mich bei der Kämmerin und der Kämmerei für die viele Arbeit mit den Haushaltsplänen, den wir früher immer Papierschinken nannten.
Und dem neuen Stadtrat wünsche ich eine glückliche Hand!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.