Sehr geehrter Herr Bürgermeister Orlowski,
zur nächsten Sitzung des Rates der Stadt Selm am Donnerstag, den 06.05.2021, bittet die UWG – Fraktion, folgenden Antrag auf die Tagesordnung zu setzen:
Beschlussvorschlag
Der Rat der Stadt Selm beauftragt die Verwaltung mit folgendem Prüfauftrag: Wie kann die Selma – Lagerlöf – Sekundarschule Selm durch eine Umwandlung bzw. Neugründung zu einer Gesamtschule weiterentwickelt werden?
Begründung
Die Stadt Selm besitzt zwei weiterführende Schulen: Das Städtische Gymnasium Selm (SGS) und die Selma-Lagerlöf-Sekundarschule (SLS). Mit diesem Antrag soll die Möglichkeit geprüft werden, in Selm neben dem Gymnasium eine weitere Schulform einzurichten, die durch längeres gemeinsames Lernen, flexible Bildungswege und Fördersysteme innerhalb der Schule – ohne Schulwechsel – den direkten Weg zum Abitur öffnet. Es geht dabei nicht gegen die bestehenden Schulen, sondern um eine qualifizierte Verbesserung der Gesamtsituation aller Selmer Schüler*innen.
Die Sekundarschule startete in ihrem Gründungsjahr 2014 mit 126 Schüler*innen. Die Anmeldezahlen sind seither auf aktuell 72 Schüler*innen zurückgegangen (Stand 01.03.2021). Bezogen auf die Zahl der Primarstufen-Einschulungen ist die Übergangsquote auf die SLS von über 50 % auf aktuell 35 % kontinuierlich gesunken. Die Übergänge von den Selmer Grundschulen auf das SGS liegen seit Jahren relativ stabil bei über 80 Schüler/-innen. Wenn von einer konstanten Übergangsquote Selmer Grundschüler auf Selmer weiterführende Schulen gesprochen wird, ist das momentan allein den Anmeldungen am Gymnasium geschuldet.
Anmelderückgang an der Sekundarschule
Eltern wünschen sich generell einen möglichst hochwertigen Schulabschluss für ihre Kinder. Den bietet natürlich das Gymnasium. Manche Eltern scheuen aber diesen Schritt, weil sie nicht sicher sind, ob ihr Kind den Anforderungen gerecht werden kann. Ein Scheitern am Gymnasium bedeutet einen Schulwechsel. Die Schulform, die ebenfalls einen Abiturabschluss ermöglicht, ist die Gesamtschule. Nach einem verpflichtend integrierten Unterricht in den Jahrgangsstufen 5 und 6 sind alle Bildungsabschlüsse möglich, die bei unterschiedlichem Leistungsniveau erreicht werden können – und das ohne Schulwechsel, der von Kindern und Eltern oft als besonders beschämend empfunden wird. Diese Möglichkeit bietet die Stadt Selm zurzeit nicht an. Zwar können Schüler*innen mit besonderer Qualifikation nach der Klasse 10 zum kooperierenden Gymnasium wechseln. Doch die Furcht vor strengerer Leistungsbeurteilung oder anspruchsvollerem Curriculum führt seit Jahren zu einer steigenden Zahl von Auspendlern in die Nachbargemeinden, die eine Gesamtschule anbieten. Laut Schulstatistik besuchen 88 Selmer Schüler*innen die Wolfhelm Gesamtschule in Olfen und 198 Schüler*innen die Johann-Conrad-Schlaun Gesamtschule in Nordkirchen. Mit zwei weiteren Gesamtschulen in Lünen besuchen insgesamt 312 Schüler*innen Gesamtschulen in Selmer Nachbargemeinden.
Ziel der Selmer Schulpolitik muss es aber sein, allen Selmer Kindern den bestmöglichen Abschluss in ihrer Stadt anzubieten. Natürlich entsprechen Raum und Ausstattung der SLS nicht den Anforderungen einer Gesamtschule – aber allein beim Raumbedarf sollte man bedenken, dass in den nächsten Jahren die starken Jahrgänge nach Neugründung der SLS entlassen werden. Allein in diesem Jahr werden ca. 50 Schüler*innen mehr entlassen als eingeschult.
Auswirkungen auf das SGS und die Gesamtschulen in den Selmer Nachbargemeinden müssen selbstverständlich beachtet werden. Nach allen Erkenntnissen hat die Errichtung einer Gesamtschule keine erkennbar negativen Auswirkungen auf ein in derselben Kommune befindliches Gymnasium. Die notwendige Zahl von 42 Schüler*innen für eine Oberstufe wird in Selm für das Gymnasium weiter erreicht werden. Die Gesamtschulen in Nordkirchen und Olfen werden möglicherweise Einwände gegen eine mögliche Selmer Gesamtschule vorbringen. Dabei müssen allerdings folgende Fakten berücksichtigt werden: In Nordkirchen wurden für das kommende Schuljahr 2021/22 59 Absagen für Anmeldungen zur Gesamtschule ausgesprochen. Die Zahl der Bewerber wird lt. Schulentwicklungsplan Nordkirchen auch in den nächsten Jahren deutlich höher als die Zahl der zur Verfügung stehenden Klassenplätze sein. Grund ist u.a. das Beharren auf einer Vierzügigkeit, die diese konstanten Ablehnungen nach sich zieht – und das alles bei zu erwartenden steigenden Schülerzahlen.
Gleiches gilt für Olfen. Hier wurden lt. RN vom 02.02.2021 65 Absagen für die Gesamtschule ausgesprochen. Aber auch hier sind mittelfristig leicht steigende Schülerzahlen zu erwarten, bei ebenfalls Festhalten an einer Vierzügigkeit. Die von Olfen abgelehnten Bewerber werden als Sicherheitspolster für mögliche Schwankungen angesehen. Beide Verhaltens- bzw. Denkweisen werden auf dem Rücken von Kindern ausgetragen und sind kaum nachvollziehbar.
Die vorliegenden Zahlen dürfte beiden Kommunen Schwierigkeiten bereiten, mit dem Hinweis auf den „Regionalen Konsens“ eine Selmer Gesamtschule abzulehnen und für Selm dürften 124 Absagen für den Besuch einer Gesamtschule im direkten Umfeld bei einer Aufstockung der Selma-Lagerlöf-Sekundarschule zu einer Gesamtschule nicht sehr risikobehaftet sein, zumal auch in Selm die Schülerzahlen sich in der Primarstufe von z.Z. rund 900 langfristig auf rund 1000 Schüler*innen stabilisieren werden. Rücksichtnahme auf nachbarliche Interessen („Regionaler Konsens“) darf keinesfalls nur für Selm gelten, auch Nordkirchen und Olfen sind daran gebunden. Hinzu kommt, dass der Boom von Sekundar-Schulgründungen längst vorbei ist. Neue Sekundarschulen gehen kaum noch an den Start. Ob man bei dieser Perspektive noch von einer sicheren Schulform sprechen kann, wird man in den nächsten Jahren sehen. Immer häufiger aber werden Sekundarschulen in Gesamtschulen umgewandelt. Nicht lokales Interesse darf Handeln bestimmen, sondern die berechtigten Wünsche von Kindern und Eltern.
Wir würden uns freuen, wenn wir für unser Anliegen eine Mehrheit finden und werden in der Sitzung gerne weitere Erläuterungen abgeben.
Dr. Hubert Seier
(Fraktionsvorsitzender)